Blick: Die Formel 1 verneigt sich vor dem holländischen König. Zuerst gaben Sie nur einen Sieg und den ersten WM-Titel als Ihre Formel-1-Ziele an. Jetzt reissen Sie alle Rekorde nieder.
Max Verstappen: Das stimmt. Meine Sichtweite hat sich geändert. Warum sollte ich nicht gewinnen, wenn ich die Möglichkeit dazu habe?
Vermissen Sie eigentlich die früheren Duelle mit Hamilton?
Nein. Ich war zufrieden, wie auch diese Saison lief. Klar, ich schätze die Duelle, die wir einst hatten. Aber jetzt schätze ich vor allem die Erfolge, die wir als Team feiern dürfen.
Würden Sie sich schwertun, 45-mal in Serie nicht zu gewinnen?
Ich habe es doch auch gemacht. Nein, warten Sie. Das stimmt nicht. Ich konnte ab und zu mal einen Sieg einfahren. Nun, solche Perioden können passieren, aber ich bevorzuge es, nicht darüber nachzudenken. Denn sie fressen die nötigen Energien in dir auf.
Was ist für Sie das wichtigste Wort in der Formel 1?
Das Engagement. Du musst für diesen Sport im entscheidenden Moment stets alles geben.
Max Emilian Verstappen wurde am 30. September 1997 (Waage) im belgischen Hasselt geboren. Seine Mutter Sophie ist Belgierin, sein Vater Jos ist Holländer. Beide Elternteile (von 1996 bis 2008 verheiratet) waren im Rennsport tätig. Seine Mutter fuhr Kart, sein Vater Jos war einst Schumis Formel-1-Teamkollege bei Benetton. Mit sechs Jahren startete Max auf Go-Karts, 2013 wurde er dort Weltmeister. GP-Premiere in Australien 2015 (mit 17 Jahren) auf Toro Rosso. Er wechselte 2016 ins A-Team von zu Red Bull und gewann in Spanien gleich das erste Rennen! Bilanz: 185 WM-Läufe, 54 Siege, 32 Pole-Positionen, 98 Podestplätze. Nur 31 Ausfälle. Bisher 49 983 Rennkilometer. Seit 2020 mit Kelly Piquet (Tochter von Dreifach-Champion Nelson) zusammen.
Max Emilian Verstappen wurde am 30. September 1997 (Waage) im belgischen Hasselt geboren. Seine Mutter Sophie ist Belgierin, sein Vater Jos ist Holländer. Beide Elternteile (von 1996 bis 2008 verheiratet) waren im Rennsport tätig. Seine Mutter fuhr Kart, sein Vater Jos war einst Schumis Formel-1-Teamkollege bei Benetton. Mit sechs Jahren startete Max auf Go-Karts, 2013 wurde er dort Weltmeister. GP-Premiere in Australien 2015 (mit 17 Jahren) auf Toro Rosso. Er wechselte 2016 ins A-Team von zu Red Bull und gewann in Spanien gleich das erste Rennen! Bilanz: 185 WM-Läufe, 54 Siege, 32 Pole-Positionen, 98 Podestplätze. Nur 31 Ausfälle. Bisher 49 983 Rennkilometer. Seit 2020 mit Kelly Piquet (Tochter von Dreifach-Champion Nelson) zusammen.
In Abu Dhabi haben Sie zum 15. Mal in Serie eine Pole-Position in einen Sieg ummünzen können. Was ist am Start Ihr Geheimnis?
Es gibt kein Geheimnis, es ist einfach die grosse Lust am Rennfahren, die Leidenschaft für den Kampf, dann die Zufriedenheit, wenn du die erste Kurve erfolgreich hinter dir hast.
Was befriedigt Sie mehr: dem Feld davonzufahren oder wie in Las Vegas bis zur letzten Kurve zu fighten?
Das ist stets verschieden. Natürlich liebe ich es, die Rennen zu dominieren. Das heisst aber auch, mit mir selbst zu kämpfen. Ich schaue nicht immer auf den Rennstand, ich versuche nur, im Cockpit alles besser zu machen, die Dinge zu verstehen oder zu verbessern.
Und im Notfall sogar noch eine Chaos-Runde für die schnellste Rennrunde und damit den Extrapunkt hinzulegen?
Warum nicht, wenn es möglich ist?
Hatten Sie 2023 das Gefühl, dass Sie bei irgendeinem Rennen zu viel riskiert haben?
Nein. Normalerweise ist alles von meiner Seite aus kontrolliert. Ich glaube sogar in Barcelona, als ich schon drei Verwarnungen für diese Track Limits hatte. Trotzdem habe ich mir gesagt, diese schnellste Rennrunde muss ich haben, also mach keinen weiteren Fehler.
Man nennt so etwas auch unbändigen Ehrgeiz …
Okay, ich kann nicht an eine Rennstrecke kommen, um nicht alles zu geben. Das ist mein persönliches Motto, danach lebe ich an der Rennstrecke.
Erinnern Sie sich überhaupt, wann Sie das letzte Mal ausgefallen sind?
Natürlich. In Melbourne 2022. Ich glaube, es war ein Benzinleck oder so. Solche Missgeschicke gehören dazu, erhöhen die Aufmerksamkeit im ganzen Team. Um Weltmeister zu werden, kannst du dir kaum viele Ausfälle leisten. Du musst punkten, punkten.
Sie sind jetzt 41-mal in Serie in die Top Ten gefahren. Hamilton liegt da weiter mit 48 Punkte-Rennen ohne Unterbruch vorne.
Einfach eine Bestmarke, vielleicht kann ich sie knacken.
Noch so ein Rekord. Sie haben 2023 aus sieben verschiedenen Startpositionen gewonnen. Wie ist das möglich?
Reden wir von mir, dem grossartigen Auto oder meinem tollen Team?
Von allen drei, auch wenn Sie es sind, der am Ende des Tages den Erfolg über die Ziellinie fahren muss.
Offenbar sind wir da einer perfekten Kombination auf der Spur. Und ich passe genau auf, was sich hinter den Kulissen abspielt. Die kleinsten Nebengeräusche oder Probleme müssen gestoppt werden. Anders funktioniert eine so grosse Interessengemeinschaft wie bei Red Bull sicher nicht.
Ehrlichkeit ist also kein Fremdwort in der Formel 1?
Nein. Meine gute Zusammenarbeit mit Renningenieur Gianpiero Lambiase und anderen Schlüsselfiguren wie Dr. Marko beruhen auf Respekt und Vertrauen.
Es muss also in heiklen Situationen auf und neben der Strecke die unverblümte Wahrheit auf den Tisch?
Unbedingt. Das verlange ich jeden Tag an der Rennstrecke. Und so bin ich ebenfalls. Was gut ist, ist gut. Und was schlecht ist, ist schlecht. Das gehört sofort ausgesprochen und gehört auch zum Erfolgsrezept.
Sie haben eine fast perfekte Saison hinter sich. Aber können Sie auch eine perfekte Runde auf die Piste zaubern?
Ich glaube nicht. Es geht immer noch besser. Manchmal bist du eben weniger weit weg von der Perfektion als sonst.
Die perfekte Runde wird es also nie geben. Was für Fehler machen Sie dann?
Dieses Jahr habe ich nur einen grossen Fehler gemacht.
19 Saisonsiege – damit verbesserte Verstappen seinen eigenen Rekord von 15 Siegen aus dem Jahr 2022.
290 Punkte Vorsprung betrug sein Guthaben auf den Zweiten Pérez. Seit 2013 gehörte der Rekord Vettel mit 155 Punkten Vorsprung auf Alonso.
6 Saison-Hattricks! Sechsmal holte Verstappen 2023 die Pole und siegte mit der schnellsten Rennrunde. Diesen Hattrick schafften zuvor Ascari (1952) und Schumi (2004) viermal in einem Jahr.
1325 Runden – Verstappen fuhr 2023 alle. Das schafften vor ihm nur Schumi (2002) und Hamilton (2019).
86,4 Prozent Siegesquote. Die alte Rekordmarke stammt aus dem Jahre 1952: Ascari (Alfa) mit 75 Prozent.
1003 Führungsrunden – in Prozenten 75,6. Damit löste Verstappen Lotus-Pilot Clark 1963 ab – 71,5 Prozent.
575 von möglichen 620 Punkten holte er – 92,7 Prozent. Der bisherige Rekord: Schumi mit 84,7 Prozent (2002).
19 Saisonsiege – damit verbesserte Verstappen seinen eigenen Rekord von 15 Siegen aus dem Jahr 2022.
290 Punkte Vorsprung betrug sein Guthaben auf den Zweiten Pérez. Seit 2013 gehörte der Rekord Vettel mit 155 Punkten Vorsprung auf Alonso.
6 Saison-Hattricks! Sechsmal holte Verstappen 2023 die Pole und siegte mit der schnellsten Rennrunde. Diesen Hattrick schafften zuvor Ascari (1952) und Schumi (2004) viermal in einem Jahr.
1325 Runden – Verstappen fuhr 2023 alle. Das schafften vor ihm nur Schumi (2002) und Hamilton (2019).
86,4 Prozent Siegesquote. Die alte Rekordmarke stammt aus dem Jahre 1952: Ascari (Alfa) mit 75 Prozent.
1003 Führungsrunden – in Prozenten 75,6. Damit löste Verstappen Lotus-Pilot Clark 1963 ab – 71,5 Prozent.
575 von möglichen 620 Punkten holte er – 92,7 Prozent. Der bisherige Rekord: Schumi mit 84,7 Prozent (2002).
Und wo?
Ich bin in Silverstone in die Boxenmauer gefahren. Das ist eher peinlich. Aber auch in Singapur lief nicht alles ideal. Ich habe mich da leider mit der Abstimmung verhauen – und schon ist es passiert. Unsere einzige Niederlage 2023 war perfekt (Es siegte Carlos Sainz im Ferrari, d. Red.).
Wir reden hier nicht über Ihr Verhältnis zu Ihrem Teamkollegen. Aber in Abu Dhabi haben Sie dem Team sogar angeboten, dass man Pérez zuerst zum Reifenstopp reinholt. Eine Geste, die man von Ihnen nicht gewohnt ist.
Nun, die Sache war einfach. Ich wollte noch länger draussen bleiben, um meine 1000 Führungsrunden nicht zu gefährden. (Am Ende wurden es 1003, siehe Kasten am Ende).
Der emotionalste Höhepunkt für Sie und Ihre Fans war bestimmt, als Sie nach dem Sieg in Brasilien plötzlich Tom Jones nachahmten und den Welthit «Green Green Grass of Home» in den Funk krächzten. Versucht sich Max Verstappen bald als Sänger?
Um Himmels willen, nein. Es war einfach der Song, den wir zu meinen Kart-Zeiten oft nachsangen, als wir auf den langen Europa-Reisen unterwegs waren. Diese Story hat mein Vater Jos dem Teamchef Horner erzählt – und schon ertönte diese Musik im Team-Radio.
Also singen Sie jetzt in wenigen Tagen auch unter dem Weihnachtsbaum?
Ich bin bestimmt kein guter Sänger, so lasse ich es bleiben. Es ist sicher besser für die ganze Familie (lacht).
Und wenn wir schon bei der Familie sind. Nach dem Rennen in São Paulo kehrten Sie zurück auf die Piquet-Farm Ihrer Lebensgefährtin Kelly. Dort in der Nähe von Brasília wohnten Sie der Trauungszeremonie Ihres Bruders bei. Wann planen Sie die eigene Hochzeit?
Heiraten? Ich? Jetzt haben Sie mich öffentlich unter Druck gesetzt, damit ich ein Datum sage! (Lacht.) Ich weiss es nicht, die Zeit wird die Antwort geben. Im Moment bin ich mit Kelly sehr, sehr glücklich, habe aber persönlich keinen Zeitplan, wann ich vor ihr auf die Knie gehe. Das soll alles spontan passieren.
Wird es während Ihrer Formel-1-Zeit geschehen oder nicht?
Wie gesagt, ich weiss es nicht. Es wird der richtige Tag kommen, wenn wir das Gefühl haben, unsere Beziehung auch auf dem Papier abzustempeln.
Wie wichtig ist eine Familie, wenn Sie von den Rennen und anderen Terminen wieder zurück in Monte Carlo sind?
Sehr wichtig. Die Familie muss der Ruhepol sein, um die stressvollen Momente vergessen zu können. Und Kelly kennt die Probleme schon aus der Karriere ihres Vaters. Ich liebe es einfach, eine grosse Familie mit vielen Tieren zu haben.
Was für Tiere halten Sie?
Im Moment drei Katzen, weil diese unabhängiger als Hunde sind. Vor allem wenn du reist, kannst du dich um Hunde kaum kümmern. Oder du nimmst diese mit – und dann musst du dich wie ein Baby um sie kümmern. Das ist für beide Seiten sehr schwierig.
Wo sehen Sie die Formel 1 in rund zehn Jahren?
Das Benzin wird wohl weg sein. Aber unser Sport wird ja jetzt schon immer grüner und nachhaltiger. Nur eines ist sicher: Max Verstappen ist dann nicht mehr dabei!
Ihr Vertrag läuft bis Ende 2028 – das sind noch fünf Jahre. Und Ende 2025 wechselt Honda mit seinen Motoren zu Aston Martin. Hört dann die Dominanz von Red Bull mit dem eigenen Motor auf?
Eine schwierige Frage. Mit einem Fragezeichen. Doch in Milton Keynes arbeiten Hunderte von Personen an diesem Projekt «Red Bull Powertrains». Wir wollen 2026 nicht auf dem falschen Fuss erwischt werden. Wir hoffen alle, dass es eine Rakete wird. Wir werden sehen.
Red Bull ist Ihre Familie im Rennsport. Da wurde fast zehn Jahre alles richtig gemacht, oder?
Ja, man kann eine positive Bilanz ziehen. Auch mit meinem jahrelangen Management. Und ich habe noch nie über einen Teamwechsel nachdenken müssen.
Werden Sie auch 2024 so dominant sein wie in den letzten zwei Jahren?
Das wird sehr schwierig, nochmals so eine Saison hinzulegen. Okay, man kann es immer noch besser machen. Doch irgendwo ist eine Grenze gesetzt. Und unsere Rivalen werden sicher keine Ruhe geben, bis sie uns schlagen können. Der Red Bull RB19 ist jetzt Geschichte – hoffen wir, dass der neue Wagen noch besser wird!
Ihr Vater Jos ist auf den Spuren der Rallyefahrer unterwegs. Werden Sie ihn auch an den Strecken anfeuern?
Ich würde es sehr gerne. Aber bei dieser Sportart ist alles offen, man kann sich nicht verstecken – und ich liebe meine Privatsphäre. Ich wäre dort nur, um Jos zu beobachten, aber nicht, um mit anderen Leuten zu sprechen. Ich würde ihn vielleicht ablenken, also überlege ich mir meine Rallye-Auftritte gut.
Sie sind ein begeisterter Sim-Pilot, hocken oft stundenlang daheim am Simulator und kämpfen weltweit um Siege. 2023 fuhren Sie vor dem Computer selbst mit Ihrem Freund Lando Norris die 24 Stunden von Le Mans.
Ja, dieses Hobby lasse ich mir nicht nehmen. Du fährst in deiner eigenen Welt und hast viel Spass. Eine Ablenkung, die ich brauche.
Ihr Wegbegleiter Helmut Marko hat Blick gesagt, dass Sie sofort nach Ihrem Rücktritt ein eigenes GT-Team gründen werden?
Ja, das ist mein Ziel. Ich möchte nicht unbedingt selbst fahren, doch ich will etwas Grosses aufbauen, den Talenten eine Chance geben. Das heisst nicht, dass ich diese in die Formel 1 bringen möchte, aber ich will ihnen im Rennsport weiterhelfen. Es gibt im Motorsport so viele Serien, in denen du Spass und Erfolg haben kannst. Und als professioneller Rennfahrer kannst du auch davon leben. Nicht nur in der Formel 1.
Was für eine Art Teamchef wäre Max Verstappen? Haben Sie von Franz Tost, Christian Horner und Helmut Marko genug gelernt?
Ja. Ich wäre sicher ein No-Bullshit-Chef. Vielleicht etwas altertümlich, weil alles mit der Leistung zusammenhängt und nicht, wie stark du mit den sozialen Netzwerken verbunden bist. Ich will einfach gewinnen, denn das stoppt das ganze Gerede drum herum. Und das ist das Wichtigste für mich.
Der Tiroler Franz Tost, Ihr erster Chef bei Toro Rosso, hat mit 67 Jahren aufgehört. Was hat man da für Erinnerungen?
Ich habe nur gute Zeiten mit ihm erlebt. Franz kam noch aus der alten Schule, die nur an Leistung interessiert war – und nicht an der Show und diesen Dingen, die vom Rennsport ablenken. Er war auch immer mit den Ingenieuren im engen Gespräch und gab ihnen klar zu verstehen, wenn die Leistung nicht stimmte. Er war nie ein Teamchef, der sich profilieren wollte und das Rampenlicht suchte. Und Franz war immer ehrlich und sprach alles offen an – du wusstest immer, woran du bist. So muss es im ganzen Leben sein.
Die letzte Frage für einen Doppelbürger ist immer: Belgien oder Holland? Vor allem, wenn es um Fussball geht …
Holland.
Und da wären wir noch bei Ihrem langjährigen Lieblingsklub PSV Eindhoven.
Ja, da läuft momentan alles so gut. Ich bin sehr zufrieden, während andere Klubs und auch Formel-1-Teams mit einem Missmanagement oft grosse Mühe haben. Namen werden keine genannt.
PSV – oder eine perfekte Saison. Mit bisher 14 Siegen aus 14 Spielen.
(Lacht.) Ja, das ist perfekt!
PS: Seit Donnerstag (2:0 gegen Heerenveen) sind es sogar 15 Spiele, 15 Siege.